
Trainieren mit Muskelkater – sinnvoll oder kontraproduktiv?
Muskelkater – medizinisch auch als Delayed Onset Muscle Soreness (DOMS) bekannt – ist eine wohlbekannte Begleiterscheinung intensiver sportlicher Aktivität. Besonders nach einem harten Training oder neuen Bewegungsabläufen spürt man ihn: den dumpfen Schmerz, der sich meist 12 bis 48 Stunden später bemerkbar macht. Doch viele stellen sich die Frage: Sollte man mit Muskelkater weitertrainieren oder besser pausieren?

Was ist Muskelkater genau?
Muskelkater entsteht hauptsächlich durch mikroskopisch kleine Risse in den Muskelfasern, die durch ungewohnte oder intensive Belastung – vor allem in der exzentrischen Phase (z. B. beim Absenken eines Gewichts) – ausgelöst werden. Dabei handelt es sich nicht um eine Verletzung im klassischen Sinne, sondern um einen natürlichen Anpassungsprozess, der zur Muskelstärkung beiträgt.
Ein weitverbreiteter Mythos war lange, dass Muskelkater durch Milchsäure (Laktat) verursacht wird. Das ist jedoch wissenschaftlich widerlegt (Cheung et al., 2003).

Training mit Muskelkater – eine gute Idee?
Die Antwort ist: Es kommt darauf an. Die Schwere des Muskelkaters und das individuelle Ziel spielen eine entscheidende Rolle.
Leichter Muskelkater:
Bei leichtem Muskelkater kann lockeres Training oder eine alternative Bewegung sogar helfen, die Durchblutung zu fördern und den Regenerationsprozess zu beschleunigen. Studien zeigen, dass moderate Bewegung und Aktivität wie z. B. Spazierengehen, lockeres Radfahren oder leichtes Stretching den Schmerz lindern können (Zainuddin et al., 2005).
Starker Muskelkater:
Wenn der Schmerz stark ist und die Beweglichkeit eingeschränkt ist, sollte auf intensives Training verzichtet werden. Andernfalls können sich die Mikroverletzungen verschlimmern und die Regeneration verlängern. Das Risiko von Kompensationsbewegungen und Verletzungen steigt erheblich.

Unterschiedliche Trainingsarten und ihre Auswirkungen bei Muskelkater
Trainingsform | Bei Muskelkater geeignet? | Hinweise |
---|---|---|
Leichtes Cardio (z. B. Gehen, lockeres Radfahren) | ✅ Ja | Fördert die Durchblutung, kann Schmerzen reduzieren |
Stretching, Mobilitätstraining | ✅ Ja | Unterstützt die Regeneration, sollte aber schmerzfrei bleiben |
Krafttraining der betroffenen Muskelgruppe | ⚠️ Nur bei sehr leichtem Muskelkater | Geringe Intensität und Volumen, Fokus auf Technik |
Krafttraining anderer Muskelgruppen | ✅ Ja | Gute Alternative, z. B. Oberkörper trainieren bei Muskelkater in den Beinen |
Intensives HIIT oder Maximalkrafttraining | ❌ Nein | Risiko von Übertraining und Verschlimmerung der Muskelschäden |

Muskelkater und Muskelwachstum – ist mehr besser?
Ein häufiger Irrglaube: Je mehr Muskelkater, desto effektiver das Training.
Falsch! Muskelkater ist kein zuverlässiger Indikator für Muskelwachstum. Hypertrophie (Muskelzuwachs) kann auch ohne Muskelkater auftreten, während starker Muskelkater eher auf eine ungewohnte oder übermäßige Belastung hinweist (Schoenfeld, 2010).
Ein gewisses Maß an Muskelkater – insbesondere bei Trainingsanfängern – ist normal. Bei Fortgeschrittenen sollte er jedoch nicht regelmäßig auftreten, da der Körper sich anpasst. Ein ständiger Muskelkater kann sogar kontraproduktiv sein und auf unzureichende Regeneration oder Übertraining hindeuten.

Tipps für den Umgang mit Muskelkater
- Aktive Erholung bevorzugen: Spazierengehen, leichtes Yoga oder Radfahren.
- Auf Ernährung achten: Eiweiß, Antioxidantien (z. B. aus Beeren) und Omega-3-Fettsäuren fördern die Regeneration.
- Ausreichend Schlaf: Die wichtigste Regenerationszeit ist nachts.
- Nicht gegen den Schmerz trainieren: Bei starkem Muskelkater besser pausieren oder andere Muskelgruppen beanspruchen.
- Wärme oder Kälte: Wärme (z. B. warme Dusche) kann die Durchblutung fördern, während Eisbad eher entzündungshemmend wirkt – Studien liefern hier gemischte Ergebnisse (Bleakley et al., 2012).

Fazit: Hören auf den Körper ist entscheidend
Training mit Muskelkater ist nicht grundsätzlich falsch, aber sollte intelligent und angepasst erfolgen. Leichte Bewegung und alternative Muskelgruppen sind meist unproblematisch – bei starkem Schmerz jedoch lieber einen Schritt zurücktreten und auf Regeneration setzen. Muskelkater ist kein Ziel, sondern ein Signal des Körpers.
Wissenschaftliche Quellen
- Cheung, K., Hume, P., & Maxwell, L. (2003). Delayed onset muscle soreness. Treatment strategies and performance factors. Sports Medicine.
- Zainuddin, Z., Newton, M., Sacco, P., & Nosaka, K. (2005). Effects of massage on DOMS and muscle function. Journal of Athletic Training.
- Schoenfeld, B. (2010). The mechanisms of muscle hypertrophy and their application to resistance training. Journal of Strength and Conditioning Research.
- Bleakley, C. M., et al. (2012). The use of ice in the treatment of acute soft-tissue injury: a systematic review. American Journal of Sports Medicine.